Erfahrungen beim Schulausflug in das Konzentrationslager Dachau
Es ist Donnerstag, der 17. Mai 2019 und miserables Wetter, als wir im Konzentrationslager in Dachau ankommen. „Arbeit macht frei!“ ist der Schriftzug auf der Gittertür zum Innenhof, auf den uns Frau Schulz direkt aufmerksam macht. Ich gehe in den vollkommen umzäunten Hof, in dem zwei Holzhütten (Baracken) stehen. In der Mitte des Hofes stehen, hinter den beiden Baracken, etliche weitere Fassungen, in denen ursprünglich auch mal Unterkünfte gestanden haben. Zwischen Stacheldraht und Innenhof markiert ein grüner Streifen den Bereich der ehemaligen neutralen Zone, in dem sofortiger Schussbefehl galt. Durch den Draht wurde von den Wärtern der todbringende Strom geschickt. Das alles vermittelt nicht den Eindruck, dass man nach getaner Arbeit wieder freikommt. Im Gegenteil, wie wir hören werden.
Gemeinsam mit der Schulklasse und dem Guide gehe ich in eine der Baracken. Diese ist ein Nachbau, der den Wandel der Unterkünfte im Laufe der Zeit darstellen soll. Ich setze mich auf die unbeheizte Bank neben den dreistöckigen Betten. Auf Strohmatten, Kopf an Fuß schliefen hier die Insassen – ein idealer Ort, um sich Krankheiten einzufangen oder sich anzustecken. Der Guide erzählt uns von dem Leben als Häftling. Oft wurde schon um 4:00 Uhr morgens der Befehl zum Durchzählen gegeben, auch wenn das Wetter so war wie heute. Für alles gab es Regeln: Wie sauber der Boden sein muss, wie die Handtücher gefaltet werden sollen, sogar für die Richtung, in die der Henkel der Tasse zeigen soll, gab es eine Vorschrift. Für das Brechen kleiner Regeln konnte man hart bestraft werden. Die langen Arbeitstage verbrachten die Insassen in ihren Arbeitsgruppen. Diejenigen, die es aus Wärtersicht am meisten verdient hatten, arbeiteten auf dem Feld. Frieren im Winter und Hitzewallungen im Sommer waren gerade aufgrund der Unterernährung besonders verheerend. Wärter versuchten den Häftlingen systematisch ihre Persönlichkeit, ihr Selbstwertbefühl durch Angst, Schrecken und Gewalt zu nehmen. So ließen sie Insassen auch dann arbeiten, wenn es nichts zu tun gab.
Ich gehe weiter durch die Baracke, um mir das Bad anzuschauen. Zehn Toiletten in einem Raum, zwei Waschbecken gab es im Nebenraum. Durch den Regen gehen wir in den Duschraum des Konzentrationslagers. Geduscht wurde hier mit eiskaltem Wasser. Nebenbei wurden an Häftlingen wegen Regelbrüchen Strafen praktiziert. Ausgekugelte Schultern und Schulterbrüche waren bei Pfahlhängungen keine Seltenheit. Die für die Arbeit zu schwer verletzten wurden „zum Arzt gebracht“, tatsächlich aber in den sicheren Tod. Mitzählen mussten die Insassen, während sie auf dem Prügelbock geschlagen wurden, der hier ebenfalls zum Anschauen steht. Wer sich verzählt, muss nochmal von neu anfangen. Auf Sprachbarrieren von ausländischen Häftlingen wurde dabei keine Rücksicht genommen. Die Wachen füllten vor der Vollziehung der Strafe ein Formular aus. Der Arzt bestätigte dann durch eine Unterschrift, dass die Anzahl an Schlägen okay sei. Das besonders Makabre: Das Arbeitslager besaß sogar ein eigenes Gefängnis – quasi ein Gefängnis im Gefängnis. Im sogenannten Bunker waren Zellen, in denen Häftlinge zum Teil tagelang der völligen Dunkelheit ausgeliefert waren, um jegliches Raum-und Zeitgefühl zu verlieren. Eine Konsequenz, wenn man Regeln gebrochen hat. Regeln, die durchaus diversen Spielraum zuließen. Es ist auch vorgekommen, dass Wachen durch die Gänge gingen und mit den Worten „Ihr wollt nicht wissen, was wir morgen mit euch machen!“ Stricke in die Zellen warfen.
Rund 500 Meter weiter, quer durch den Innenhof, gelangen wir zum Krematorium. Eine Holzhütte mit zwei Verbrennungsröhren war der Vorgänger der moderneren Verbrennungskammer: drei große Öfen à zwei Verbrennungsröhren. Selbst die konnten der hohen Leichenzahl gegen Ende des Krieges nicht gerecht werden, wie Bilder der Befreiung 1945 zeigen. Vor dem Verbrennungsraum war die Gaskammer, die bis auf einige Testversuche nicht zum Einsatz kam.
Stockt dir auch der Atem? Denn wir versuchen nicht, ein schwarzes Bild von dem zu malen, was wir gesehen und gelernt haben, denn es ist genauso passiert. Man muss sich ein eigenes Bild machen, weshalb Emotionen aus diesem Text so weit wie möglich ferngehalten wurden. Doch wir waren alle von den unmenschlichen Taten der Nazis schockiert. Man kann sich immerhin mal ansatzweise vorstellen, welchem Druck und vor allem welcher Angst die Insassen der Konzentrationslager ausgesetzt waren. Diese Erfahrung sollte keinen kalt lassen. Wenigstens einmal sollte man dort gewesen sein, an dem Ort, an dem viel zu viele Menschen gestorben sind. Diese Erfahrung ist auch durch nichts ersetzbar. Vor allem wenn man bedenkt, dass auch die Schreckensherrschaft der Nazis in einer Demokratie begonnen hat und wir Deutschen jetzt, knapp 85 Jahre später, wieder damit anfangen, Feindbilder zu verbreiten. So etwas wie die Nazidiktatur brauchen wir definitiv kein zweites Mal. Nie wieder!
Viviana Schlöffel, Andreas Spangler, Lukas Maggioni, 9b